Das Epen-Mythen-Projekt technisch: Mobil bloggen, Beitrag machen, Konzerte mitschneiden

Quelle: wbSchon in einem frühen Planungsstadium entstand die Idee, das Epen-Mythen Projekt für den BR cross-medial anzulegen: Für’s Radio und als Blog. Damit schlüpft man gleichzeitig in verschiedene Rollen: Reporter, Blogger, Fotograf, Videojournalist und Toningenieur. Wie’s gedacht war und dann funktionierte, wird hier ausführlich beschrieben . .

Verwendete Hard- und Software:

IPhone6 (64GB)

  • Kamera, Foto, iMovie, ARD muPro, WordPress, Twitter, Bit.ly, Google Maps

MacBook Pro i7

  • Safari, iPhoto, iMovie, ProTools 11, MPEG Streamclip

DER PLAN

Für das Radio aktuelle Kurzbeiträge für Magazine zu liefern sowie für eine ausführliche Sendung hinterher vielfältiges Material einzusammeln, habe ich schon unzählige Male gemacht. Auf sich allein gestellt von unterwegs zu arbeiten, ohne „Gefälligkeitstermin“ im Radiostudio einer EBU-assoziierten Anstalt, also mobil, mit dem Hotelzimmer als Arbeitsplatz und Aufnahmestudio und das Absetzen des Beitrags über das Internet, kenne ich seit 15 Jahren. Das geht heute alles ziemlich einfach – und doch gibt’s immer wieder unvorhergesehene Überraschungen.

Quelle: screenshotEinen Blog als Reisetagebuch zu führen, lag auch nahe, war aber neu und versprach daher spannend zu werden. Was wird berichtenswert sein? Wie geht man stilistisch damit um? (diese Frage erörtere ich anderswo ausführlicher).

Mit WordPress arbeite ich bereits seit 2 Jahren für meinen privaten Blog www.bleisaetze.de. Jerry Manz von BR-Online hat mir diesen Blog hier aufgesetzt und ein paar nette Features vorgeschlagen. Vor allem das Geotagging-Tool, mit dem sich die Geodaten für Beiträge anlegen lassen und die dann auf einer Bing-Map erscheinen, hat mich sofort begeistert (jeden Ort, zumeist nachträglich, wenn man abends oder nachts erst schreibt, nochmal zu bestimmen, hingegen ist schon etwas fummelig).

Jerry hat umgekehrt meinen Vorschlag aufgegriffen, ein Widget einzubauen, mit dem Tweets von mir (@bleisaetze) und dem Hashtag #epenmythen auf der WordPress-Seite erscheinen. So sollte der Kreislauf BLOG-TWITTER-BLOG geschlossen werden: Wenn ein wichtiger neuer Blogeintrag fertig war, habe ich in auf Twitter angekündigt, inklusive individuellem, systematischem Kurzlink bei bit.ly. Damit, plus dem WP-PlugIn SlimStat, hat man dann einen Blick darauf, wie und wo die Story über Social Media Kanäle sich verbreitet und wie sich ihre Rezeption entwickelt (oder eben nicht).

v.l.n.r: Tischstativ – das Mindeste, was man haben sollte, Originalkopfmikros, Zoom H2, Tascam iXJ2 und Lightning Adapter, iPhone 6, Sony ECM-959 (sichtbar betagt)Quelle: wb

v.l.n.r: Tischstativ – das Mindeste, was man haben sollte, Originalkopfmikros, Zoom H2, Tascam iXJ2 und Lightning Adapter, iPhone 6, Sony ECM-959 (sichtbar betagt)

Mit einem Smartphone hat man heute auch stets ein Aufnahmegerät dabei – nur sollte das eingebaute Mikrofon wirklich nur im Notfall zum Einsatz kommen. Ein gutes Handmikro muss dabei sein. Dafür braucht es dann einen Vorverstärker. Ich hab vor Jahren ein TASCAM iXJ2 angeschafft, was aber noch den alten 30-Pin-Stecker hat, der mit Lightning-Adapter an den jetzigen Apple-Geräten zwar noch immer funktioniert, aber halt etwas sperriger ist.

Als Mikrofon nehme ich noch immer vorzugsweise das alte SONY ECM-959, ein Allrounder, mit 90 und 120 Grad Stereo, ebenso gut für Interviews wie Musik. Noch besser, vor allem für Videos aber ist das Originalkopfmikrofon von Soundman, das man in die Ohren steckt. Solche Aufnahmen liefern Binaural-Klang, was über Kopfhörer also den eigenen Höreindruck, den Raumklang, perfekt wiedergibt. Phänomenal! Über Vorverstärker am Smartphone angeschlossen, kommt so perfekter Stereosound auch auf’s Video. (ich arbeite seit mehr als 20 Jahren schon damit: Musik, Atoms. Für Interviews nur bedingt – aber in besonderen Fällen, dann mit veränderten Spielregeln).

Apps zur Audio und Videoaufnahme und -bearbeitung auf dem Smartphone gibt’s viele, wenige praktisch, viele nutzlos. Aber ehrlich: Ohne absoluten Aktualitätsdruck sollte man immer lieber auf dem Laptop Profibearbeitungsprogramme nutzen. Es schont die eigenen Finger und Nerven ebenso wie die Augen und Ohren des Publikums. Auf dem MacBook Pro sind das also auf jeden Fall ProTools für Audio und mindestens iMovie für Video. Als universellen Transcoder habe ich MPEG Streamclip dabei: universell, schnell und effizient zum Runterskalieren der Videoclips auf das handliche Webformat 640×360 H.264 – demuxt zudem Ton aus einer Videodatei, um ihn im Radiobeitrag zu verwenden.

Quelle: screenshotMit dem iPhone6, das noch rechtzeitig vor Abreise eintraf (das 4er war zuletzt heftig in die Knie gegangen), eröffnete sich auch die Chance, die neue ARD MuPro App für eine Live-Schalte zu testen. Live aus Bischkek vom Eröffnungskonzert des Jazz-Festivals in BR-KLASSIK Leporello berichten – warum nicht? (es erschien ideal wegen der plus 4 Stunden Zeitverschiebung).

Dann stand da noch die Möglichkeit im Raum, die beiden großen Konzerte von Passacaglia in Bischkek und Almaty aufzunehmen. Wenn schon ProTools auf dem Laptop ist…. Zusammen mit Hugo Siegmeth habe ich im Vorfeld das Passacaglia-Setup diskutiert und wir kamen zu dem Schluss, dass 8 Spuren genügen sollten, um das Material hinterher gut abmischen zu können. Wir haben den Technical Rider der Band entsprechend formuliert, dass die Tontechniker der Konzerte mir jeweils 8 Kanäle ausgekoppelt zur Verfügung stellen. Daher habe ich zwei Audio-Interfaces, ein M-Audio FastTrack Ultra und eine Digidesign MBox2 mit in meinen Koffer gepackt. Beide zusammen und gegebenenfalls kaskadiert, erschienen optimal flexibel für alle Eventualitäten.

Schließlich war auch noch ein Zoom H2 mit im Gepäck. Den hatte ich Hugo vorab mit auf die Reise gegeben, damit er selbst die beiden Konzerte in Aschabat und Karaganda dokumentarisch mitschneiden kann. Irgendwo dezent auf der Bühne platziert, liefert er auch schon gute Ergebnisse. Ich hatte es für die beiden Konzerte in Bischkek und Almaty als Notfallgerät (bzw. zusätzlich weiteren A/D-Wandler) sowie für Stereo und Quadroaufnahmen aus dem Zuschauerraum vorgesehen, was unter guten Bedingungen dann sogar realistische 5.1 Surround-Mischungen der Aufnahmen ermöglichen könnte.

DIE REALITÄT

Als ich um Mitternacht Ostersonntag-Ostermontag in Almaty gelandet war und das iPhone aus dem Flugmodus aufweckte, Ernüchterung: zwar hatte es sich in ein hiesiges Mobilnetz eingebucht, doch zeigte die Telefon-App hartnäckig einen roten Punkt, was bedeutet, es kommt doch keine Verbindung zustande, von mobilen Daten ganz zu schweigen. Okay. Dann eben mit dem Privathandy zu Hause anrufen, dass ich gut angekommen bin.

Im Hotel bekam ich dann freilich die Zugangsdaten zum hauseigenen WLAN. Doch als ich die bei mir im Zimmer dann eigegeben hatte hiess es beständig: „Wrong Passwort“. Okay. Also erstmal darüber schlafen. Beim Frühstück am nächsten Morgen, als ich die Musiker zum ersten Mal wiedertraf, meinten die, „Nein Nein“, das Passwort funktioniere bestens, kein e Probleme. Wir mussten aber bald los, zur Probe rund dann zum Gefängniskonzert, so dass ohnehin keine Zeit war, sich näher den Problemen zu widmen. Am Nachmittag dann, während ich vor dem Gefängnis wartete, telefonierte ich mit meinem Privathandy dann mit der Service-Hotline unseres Unternehmens, und der nette Kollege, der Feiertagsdienst am Ostermontag hart nahm den „Call“ auf, dass das Mobilnetz meines Handy hier in Kasachstan nicht funktioniert. Abhilfe frühestens am nächsten Tag zu erwarten.

Obgleich ohne mobilen Internetzugang, fing ich doch wenigstens offline auf der WordPress Smartphone App schon mal am Zhaugashty-Beitrag zu schreiben an. Das ist schon vorteilhaft, dass das geht. Auf dem PC im Browser funktioniert das nur, wenn zuvor die Seite auf dem WordPress-Server offen war. Es erscheint dann eine Meldung, dass die Verbindung zwar unterbrochen ist aber man dennoch weiterarbeiten könne (aber so ganz wohl, ob dann nicht eventuell doch etwas verloren geht, ist einem dabei nicht).

Zurück vom Gefängniskonzert ging’s weiter Schlag auf Schlag: Abendessen mit den Musikern, Session im Brooklyn. Als wir dann spät nachts ins Hotel zurückkamen, bemerkte ich, dass sich mein Handy in der Lobby unten plötzlich vibrierte: Es hatte Mails empfangen. Merkwürdigerweise schien das WLAN hier zu funktionieren. Es stellte heraus, dass das WLAN sogar direkt vor meinem Zimmer noch funkte – nur nicht IN meinem Zimmer. Also schrieb ich den Beitrag über die Ereignisse des Abends vor meinem Hotelzimmer, in einem Sessel um die Ecke, vor dem Aufzug.

Am nächsten Tag fuhren wir weiter nach Bischkek, über die Kirgisische Grenze. Dort angekommen, ging dann plötzlich beides: Mobiltelefon und mobiles Daten. Die Kollegen in München hatten die beim Kartentausch verloren gegangenen Auslandspakte wieder hinzugedacht. Und auch das WLAN im Hotel in Bischkek sträubte sich nicht beim Einloggen. Nur fiel es am nächsten Vormittag mal für zwei Stunden komplett aus. Dafür aber hatte es eine ganz andere, eigentlich für’s mobile Reporting viel wichtigere Qualität: Es war symmetrisch: Download wie Upload, je nach Belastung – immer bei 5-8 Mbit/s! Da macht es richtig Spass, Videos hochzuladen 100 MB ein paar Minuten. (ich glaube, so einen guten Upload-Datendurchsatz findet man nur schwer in einem WLAN hierzulande).

Das Arbeiten ging also flüssig von der Hand: Nach den 14 Stunden Tagen mit den Musikern um Mitternacht nur noch ein oder zwei Stunden „arbeiten“: Videos und Bilder mit dem Laptop synchronisieren, Auswahl treffen, Video zurechtstutzen, Blog schreiben, hochladen. Fertig. Gute Nacht (deswegen nennen manche Kollegen zu Hause solche Reportagereisen auch gerne „Incentive“ 🙂 ).

Quelle: wbFreitag war dann der spannendste Tag: Nach einem ruhigen Vormittag, ein Mittagessen mit dem Team des Bischkek-Jazz Festival, nachmittags der Soundcheck, abends das Konzert. Mit den Kollegen in München hatte wir für 18 Uhr Ortszeit (14 Uhr München) den Test für die Live-Schaltung vereinbart. Fast pünktlich hatte signalisierte die App, dass eine Verbindung vorhanden sei und mit dem Pawlowschen-Reflex eines Radioreporter bei Rotlicht fing ich zu quatschen an:

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muPRO Verbindung steht – aber nix geht

Aber es blieb alles tot. Nach 4 Minuten dann wurde die Verbindung abgebrochen. Damit war offensichtlich, dass das mit der Liveschaltung drei Stunden später sicher nicht wird. Also musste Plan B in Kraft treten. Ich hatte – vorsichtshalber – noch am Vormittag einen gebauten Beitrag im Hotel fertig gestellt und den bereits auf den Blog hochgeladen – nur als Entwurf. Den jetzt von der Smartphone-App aus zu publizieren und dann noch eine E-Mail nach München schicken, „holt Euch den jetzt ab. Viele Grüße…“ ging ruckzuck. Denn in 10 Minuten sollte ja hier der Konzertabend beginnen mit den Eröffnungsfeierlichkeiten und dann dem Auftritt von Passacaglia. Es wurde ja noch ein toller Abend. Schade wegen der Schaltung (der Fehler wurde hinterher im Logfile des Servers gefunden: Die Verbindung wurde mit der falschen Samplingrate aufzubauen versucht: 22 kHz statt 44kHz – Digital Voodoo).

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BISHKEK: We’re running

Die Aufnahme des Konzerts von Passacaglia klappte prima – wenngleich man schon etwas angespannt daneben sitzt, ohne ein Redundanzsystem am Laufen zu haben, wenn oben auf der Bühne so ein einmaliges Ereignis – ein deutsches Jazz-Ensemble improvisiert mit kirgisischen Manastschi und Komuz-Spieler – über die Bühne geht. Unverzeihlich, wenn diese tollen musikalischen Momente verloren gegangen wären.

Als wir am Samstag dann zurück nach Almaty kamen, musste ich wieder feststellen, dass das mobile Internet auf dem Smartphone nicht funktionierte. Telefon hingegen ging. Das hieß also wieder „offline“ außerhalb des Hotels. Tja. Aufregen bringt nichts. Erst recht nicht wenn’s ja eigentlich nur noch um 24 Stunden geht. Dafür ging wenigsten jetzt das WLAN in meinem Hotelzimmer, weil ich ein anderes als zuvor hatte. Offenbar lag der Fehler daran, dass der Hotspot in dem anderen Zimmer irrtümlicherweise mit einem falschen Passwort programmiert war.

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Almaty: Jazz Festival Denis und ich

Bei Denis, dem jungen Tontechniker des Konzerts in Almaty, war die Info, dass er mir 8 Kanäle zur Verfügung stellen sollte, nicht angekommen. Aber er setzte alle Hebel in Bewegung und ließ binnen einer Stunde die entsprechenden Kabel und Adapter heranschaffen. Beim Soundcheck der Band hatte ich noch nur einen zur Verfügung, konnte also nur durch permanentes Umstecken der Verbindung überprüfen, ob Routing und Zuweisung aus dem Mischpult heraus stimmen. 5 Minuten vor Konzertbeginn trafen die Adapter ein und ich musste sie nur ein Einstöpseln: „Okay. We’re running“.

Auch die Aufnahmen dieses Konzerts wurden toll. Die Technik half aber nur dabei. Bewundernswert ist vielmehr die Musikalität von Passacaglia, wie sie kammermusikalisch aufeinander hörend und diszipliniert musizieren. Da muss weder live im Saal noch bei der Abmischung der Aufnahme viel nachgeregelt werden: Fader hoch und passt.

Ein Fazit? War anstrengend, aber war’s wert. Wie erlebnisreich die Tage ansonsten waren, steht auf dem Epen-Mythen-Blog des BR  ausführlich nachzulesen.